Diese Seite gehört einem typischen Kulturfolger, einem Bewohner klimatisch begünstigter ländlicher Regionen mit Weinbau und Streuobst. In kleinen Kolonien lebt diese Fledermaus nahezu unbemerkt unter unseren Dächern und jagt nachts in naturnahen Gärten und über artenreichen Wiesen Insekten. Zum sicheren Fortbestand ist diese Art auf eine lebendige und gut strukturierte Kulturlandschaft angewiesen.
Im Weinlandkreis Kitzingen gibt es noch Vorkommen des Grauen Langohrs, deswegen haben wir eine besondere Verantwortung für diese vom Aussterben bedrohte Art.
Beitrag aktualisiert 01.11.2021
Die Art ist wenig wanderfreudig, Sommer- und Winterquartiere liegen nah zusammen. Die kleinen Kolonien bewohnen meist geräumige Dachstühle von Kirchen, Pfarrhäuser oder historischen Zehtnhäusern. Wegen seiner Unauffälligkeit wird es bei Sanierungen leicht übersehen. Als klassischer Kulturfolger lebt es im Spannungsfeld zwischen Siedlung und Offenland, einem Bereich der einem hohen Nutzungsdruck ausgesetzt ist. Ausgeräumte Fluren und Flächenversiegelung machen der Art zu schaffen. Das Insektensterben verschärft die ungünstigen Lebensbedingungen. Lichtverschmutzung zerschneidet seinen Lebensraum und wirkt negativ auf Nachtfalter, die Beutetiere des Grauen Langohr.
Trächtige Weibchen finden sich im Frühjahr zusammen um gemeinsam ihren Nachwuchs aufzuziehen. Die Jungen kommen nackt und blind zur Welt, sie werden mit Muttermilch gesäugt. Nach dem Sommer, wenn die Jungen selbstständig sind, lösen sich diese Wochenstuben wieder auf. Die Männchen haben bei der Jungenaufzucht keine Aufgabe und leben meist alleine. Im Spätsommer beginnt die Paarungszeit. Danach hält das Graue Langohr Winterschlaf um die insektenarme Zeit zu überdauern, hierfür nutz es kühle, dunkle und eher luftige Keller und Dachböden. Im Frühjahr beginnt der Jahreslauf der Fledermaus von vorne.
Seit über 50 Millionen Jahren leben Fledermäuse auf der Erde, sie haben ihre ökologische Nische in der Dunkelheit der Nacht gefunden. Ein großer Teil unserer Wildtiere ist dämmerungs- und nachtaktiv. Nachtaktive Insekten, die Beute des Grauen Langohrs, werden durch künstliches Licht angelockt. Straßenlaternen wirken wie Staubsauger auf Nachtfalter, diese umkreisen die Lampen bis sie erschöpft zu Boden fallen. Sie vermehren sich nicht mehr. Lichtverschmutzung ist mit ein Grund für das Insektensterben. Künstliche Beleuchtung zerschneidet Lebensräume und wirkt für manche Fledermausarten wie eine Barriere. Gerade Langohren sind hier sehr empfindlich. Den Lebensraum dunkle Nacht gilt es zu erhalten.
Fledermäuse orientieren sich durch Ultraschall, das zurückgeworfene Echo wird im Kopf zu einem Hörbild. Die Rufe des Langohrs liegen zwischen 11.000 bis 70.000 Herz, Menschen hören zwischen 20 bis 20.000 Herz. Mit spezieller Technik lassen sich diese Laute aufzeichnen und darstellen. Auf nächtlicher Insektenjagd wird geflüstert. Dank seiner großen Ohren kann es leiseste Echos hören und braucht nicht laut rufen.
Ortungsruf im Sonagramm
Ortungsruf auf soundcloud abspielen
Sonagram und Tondatei: Burkard Pfeiffer
Graue Langohren jagen, nachdem sie zur Abenddämmerung ausgeflogen sind, erstmal in unmittelbarer Nähe zu ihrem Quartier. Da sie in unseren Siedlungen leben, suchen sie auch in Gärten nach Nachtfaltern. Diese gilt es zu fördern:
Fledermäuse benötigen Strukturen um sich in ihrem Lebensraum zurecht zu finden. Hecken und Baumreihen leiten vom Quartier in den Jagdlebensraum. Diese Leitlinien dienen auch dem Schutz vor natürlichen Feinden. Gleichzeitig sind solche Landschaftselemente auch wertvolle Lebensräume für Rebhühner, Feldhasen, Vögel und Insekten. Eine vielfältig strukturierte Landschaft ist nicht nur ökologisch wichtig, sie erfreut beim Durchwandern auch unser menschliches Auge. Unsere Fluren missen:
Für das Ziel einer Aufwertung von Langohrlebensräumen wurde und wird auf verschiedenen Ebenen zusammengearbeitet. Auf regionaler Ebene durch unser Fledermausprojekt, welches wertvolle praktische Erfahrungen einbringt und ganz konkret Lebensräume aufwertet und schützt. Bayernweit durch das Artenhilfsprojekt Graues Langohr. Hier wurde mit Telemetrie, Beutetieranalysen und Beobachtungen zur Quartiernutzung zur Grundlagenforschung beigetragen. Resultieren werden die gewonnenen Erkenntnisse in einem Leitfaden für angewandten Artenschutz.
Das Graue Langohr ist in Bayern stark gefährdet, deutschlandweit ist es vom Aussterben
bedroht. 2021 hat sich eine Fachgruppe zu einem Expertenworkshop zusammengefunden, um dem Rückgang dieser Fledermausart zu begegnen. Koordiniert wird über das Institut für Tierökologie und Naturbildung, Markus Dietz im Rahmen eines F+E Projekts des Bundesamt für Naturschutz, BfN.
Das Graue Langohr lebt im Spannungsfeld zwischen Siedlung und Flur. Ein Bereich der einem hohen Nutzungsdruck ausgesetzt ist, der übernutzt ist. Die Beeinträchtigungen anthropogenen Ursprungs sind vielfältig: Quartierverlust, Flächenversiegelung, Rodung, Pestizideinsatz, Lichtverschmutzung. Komplexer wird es, da Graue Langohren nicht nur eine grüne Infrastruktur (Felder, Wiesen, Hecken), sondern eben auch eine graue Infrastruktur (Dächer, Keller, Mauerspalten) benötigen, der Quartierschutz also mitgedacht werden muss. Die klassische Misere eines Kulturfolgers, gerade unsere Dörfer und der ländliche Raum wandeln sich rapide.
Diese Fledermausart ist auf einen Biotopverbund angewiesen und eine gute Schirmart für den ländlichen Bereich. Eine Kolonie benötigt ausreichend Jagdgründe in Quartiernähe zum Erhalt und vernetzende Strukturen zu den Jagdlebensräumen sowie zwischen den Sommer- und Winterquartieren. Zum genetischen Austausch müssen Tiere auch weiträumig wandern können und benötigen dafür eine gut strukturierte Landschaft. Auf der Seite der grauen Infrastruktur nutzen Graue Langohren einen Quartierverbund aus Sommer- Winter- Übergangs- und Ausweichquartier, mindestens. In Sachen Quartiernutzung gibt es sicher noch einiges zu entdecken und zu verstehen.
Wir konnten aus unseren ersten Versuchen mit dem Artenhilfsprojekt Flurbereicherung in Kitzingen Hoheim und Mainbernheim Rückschlüsse ziehen woran es mangelt, was hindert und was schlichtweg falsch läuft. Es ist komplex aber nicht überraschend, denn Natur- und Artenschutz kommt fast überall zu langsam voran und die Gründe sind meist gleich.
Vorhandene Möglichkeiten werden nicht zur Gänze ausgeschöpft, Stichwort Ersatzmaßnahmen oder Ausgleichsflächen die ihren Namen nicht verdienen. Oft mangelt es an fehlendem Verständnis oder schlicht an Zeit für Kontrollen oder an Ausrüstung für bessere Flächenpflege. Manchmal steht der monetäre Aspekt im Vordergrund, Bauland bringt einfach mehr Geld als die alte Streuobstwiese mit der niemand mehr was anfangen kann. Streuobst, Hecken, Gehölze, Blühwiesen in der Flur und lebendige Grünflächen im Siedlungsbereich müssen in clevere, breit aufgestellte Nutzungskonzepte eingebunden werden die ihren Erhalt sichern. Menschen müssen aufgeklärt und mitgenommen, Mitarbeitende geschult werden.
Der amtliche Naturschutz muss sein Zähne finden und vor Ort agil agieren dürfen. Die Gesetzgebung gibt mehr Schutz her als manchmal gefordert oder umgesetzt wird. Und sogar für eine Dorffledermaus wie das Graue Langohr, müssen wir mit unseren Schutzkonzepten viel größer denken und auf die Landschaftsebene kommen. Denn vielleicht ist die eigentliche Frage die, in welcher Landschaft wir in Zukunft leben wollen? In einer belebten oder in einer übernutzten?
Vielleicht gelingt es uns Klimakrise, Biodiversitätskrise, Landwirtschaftskrise, Flächenkrise zusammenzudenken und etwas Gutes daraus zu formen. Aber kommen wir wieder zurück auf die eigentliche Projektebene.
Alle bisher in Bayern gewonnenen Erkenntnisse werden in einem Leitfaden zusammengestellt. Dabei werden die Schutzbemühungen in drei Segmente aufgeteilt. Im Zentrum der Bemühungen steht das Quartier. Dann folgt das quartiernahe Umfeld im Siedlungsbereich. Der dritte Teilbereich wirft einen Blick in die Landschaft.
Mit diesem Handbuch lassen sich anhand von Praxisbeispielen Langohrlebensräume aufwerten oder neu schaffen.
Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.) (2022):
Mehr Lebensraum für das Graue Langohr - ein Leitfaden zur Flurbereicherung
Bearbeitung: Christian Söder, Andreas Zahn, Matthias Hammer, Burkard Pfeiffer - Augsburg: 36 Seiten